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Russischer Investor am Flughafen Frankfurt-Hahn

Landen oder Durchstarten in die nächste Warteschleife?

Über den Verkauf des Regionalflughafens Frankfurt-Hahn an einen russischen Oligarchen entscheidet am Nachmittag eine Gläubigerversammlung. Die Bundesregierung muss dann den Verkauf genehmigen.

(07.02.2023) Für den Regionalflughafen Frankfurt-Hahn im Hunsrück einen Eigentümer finden: Das Erreichen dieses Ziels kommt bisher einem turbulenten und unbequemen Langstreckenflug gleich. Und er hat viele Passagiere: eine Belegschaft von etwa 450 Menschen sowie Dienstleister wie Hoteliers oder Flugzeug-Techniker, die im Umfeld des Flughafens Geld verdienen. Dieser Tage befindet sich die Maschine mit dem internationalen Flugplatz-Code HHN im erneuten Kauf-Landeanflug: Vier Schwestergesellschaften entscheiden am Nachmittag im Zehn-Minuten-Takt vor dem Insolvenzgericht Bad Kreuznach bei einer „besonderen Gläubigerversammlung“ über den Verkauf. Doch auch danach droht den Menschen im Hunsrück wieder ein Durchstarten in die Warteschleife.

Wer steht hinter dem neuen Käufer?

Denn bei dem Käufer „NR Holding“ handelt es sich um ein Unternehmen im Besitz des Haupteigentümers der Rennstrecke Nürburgring, Viktor Charitonin. Dem 50 Jahre alten Milliardär aus Russland werden beste Kontakte in den Kreml nachgesagt, was zahlreiche Staatsaufträge für unterschiedliche Arzneimittel untermauern. So soll Charitonins Unternehmen auch der größte Hersteller des russischen Covid-Impfstoffes Sputnik V sein. Gegen Charitonin gelten aber keine EU-Sanktionen in Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg. Das amerikanische Finanzministerium führt Charitonin allerdings auf seiner sogenannten „Putin-Liste“, die führende Mitglieder der russischen Regierung und russische Oligarchen listet.

Was macht den Hahn attraktiv?

Ein Flughafen mitten in Deutschland, in Europa in der Hand eines Putin-Getreuen? 20 Millionen Euro soll der Deal dem Pharmamogul wert sein. Die Nachrichtenagentur dpa berichtet, die Summe sei bereits auf einem sogenannten Notaranderkonto hinterlegt. Zwei Lesarten für den Kauf sehen Beobachter. Die angenehmere: Charitonins Leidenschaft für Oldtimer und Ablehnung von Öffentlichkeit. Der Flughafen Frankfurt-Hahn liegt der Rennstrecke Nürburgring am nächsten, lässt sich mit Hubschrauber schnell erreichen, ohne wie in Frankfurt selbst oder Köln/Bonn große Aufmerksamkeit befürchten zu müssen. Der amerikanische Unternehmer Elon Musk nutzte diese Vorzüge bereits. Das größte Plus des Hahns aber: Der Flughafen hält eine uneingeschränkte Betriebsgenehmigung und damit auch eine Nachtflugerlaubnis. Das ermöglicht mehr Flexibilität – für Charitonin allein oder auch für Passagier- und Frachtflugverkehr.

Welches Risiko birgt der neue Käufer?

Die unangenehmere Lesart findet sich im Blick auf die Geschichte des Flughafens: Von Franzosen begonnen, von den Amerikanern fortgeführt war der Flughafen wegen seiner geografisch und topografisch günstigen Lage bis in die 90er Jahre ein Militärflughafen mit seinen üblichen Bauten. Dazu ein Allwetter-Landesystem sowie eine Start- und Landebahn von fast vier Kilometer Länge. Das macht auch Besuche der russischen Antonov An-224 möglich – ein Transportflugzeug für Güter, aber eben auch für Streitkräfte.

Was kann den Verkauf platzen lassen?

Hier kommt das Bundeswirtschaftsministerium ins Spiel. Nach der Außenwirtschaftsverordnung kann es Investitionen von außerhalb der EU in deutsche Unternehmen prüfen und diese untersagen, wenn sie die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährden. Kann prüfen – muss aber nicht. Auf tagesschau.de-Anfrage verweist ein Sprecher des Ministeriums auf das Geheimhaltungsgebot bei Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. Und er verweist auf den potenziellen Käufer. Dessen Aufsichtsratsvorsitzender wiederum gibt an, einen Antrag auf Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung gestellt zu haben. Der liege dem Ministerium bereits seit mehr als drei Wochen vor. Bemerkenswert: Von sich aus werde das Ministerium nicht aktiv, erklärt der Sprecher, „nur nach Hinweisen von außen“.

Die Regierungspressekonferenz am Montag erweckt dann den Eindruck, jene Prüfung des Hahn-Verkaufs sei eine heiße Kartoffel, die von einem Ministeriumssprecher zum nächsten geworfen wird: Flughäfen seien nicht grundlegend kritische Infrastruktur; die europäische CER-Richtlinie, die Flughäfen als kritische Infrastruktur vorschlägt, werde erst im Laufe des Jahres in einem Bundesgesetz ausgearbeitet; das Auswärtige Amt habe wie kürzlich in Zusammenhang mit dem Hamburger Hafen und einem chinesischen Investor zwar eine Meinung auch zum Verkauf eines Flughafens an einen russischen Investor, „aber keine, die berichtet werden kann“; auch wenn Flughäfen mitten in Deutschland liegen, sei die Aufsichtsbehörde des jeweiligen Bundeslandes für sie zuständig, nicht der Bund.

Von eben jenen beiden betroffenen Bundesländern fallen die Reaktionen unterschiedlich aus:
Rheinland-Pfalz zieht sich schlicht darauf zurück, es sei am Ausschreibungsverfahren nicht beteiligt. Hessen allerdings, das 17,5 Prozent Anteile am Hahn hält, sieht den möglichen Verkauf auf Anfrage von tagesschau.de „äußert kritisch“, wie ein Sprecher mitteilt: „Wir bitten die Bundesregierung, die gemäß des Außenwirtschaftsgesetzes mit der Prüfung des Vorgangs betraut ist, all ihre Möglichkeiten auszuloten, diesen Verkauf zu verhindern.“ Es sei ein entsprechendes Schreiben des Landesfinanzministers an den Bund „in Vorbereitung“. Damit wären jene Hinweise, die das Bundeswirtschaftsministerium zur Investitionsprüfung veranlassen müssten, offensichtlich gegeben.

Noch bevor jenes Schreiben fertig aufgesetzt ist, erklärt Wirtschaftsminister Robert Habeck am Abend während seiner USA-Reise: „Wir screenen das gerade.“ Dies werde immer getan, wenn es Sorge gebe, kritische Infrastruktur könnte potenziell berührt werden, erklärt er. Im Detail könne er noch nicht darüber reden, sagt der Grünen-Politiker. Aber: „Das dauert jetzt ein paar Wochen. Es gibt keine Tendenz.“

Ladenhüter und Luftnummern

Hellhörig sollte dabei die Historie des Flughafens machen. Statt Top-Immobilie erschien der Flughafen bisher eher als Ladenhüter: 2007 nannten die Betreiber ein Ziel von zehn Millionen Passagieren im Jahr, über vier Millionen kamen sie nie hinaus, bis zur Corona-Pandemie meist nur Sinkflug bei Passagier- und Frachtaufkommen. Dafür hoben die Schulden ab. Die eigene Geschäftsführung attestierte 2013 ihrem Unternehmen ein „nicht zukunftsfähiges Geschäftsmodell“.

Jahrelang versuchte deshalb das Land Rheinland-Pfalz seinen Mehrheitsanteil loszuwerden. Pläne, die Infrastruktur an den landeseigenen Mobilitätsbetrieb zu verkaufen und anschließend zurückzuleasen, untersagte die EU. Für die Landesregierung eine peinliche Luftnummer, in Zusammenhang mit dem Hahn aber nicht die peinlichste: 2016 ging der damalige Landesinnenminister das Geschäft mit chinesischen Investoren ein, die sich später als Betrüger herausstellten.

Ein Jahr später zahlte der chinesische Mischkonzern HNA mit vermuteten Anteilseignern in den Kadern der Kommunistischen Partei zwar 15 Millionen Euro. Doch vor zwei Jahren meldete auch dieser Hoffnungsträger Insolvenz an, ein halbes Jahr darauf der Flughafen Hahn selbst. Der nächste Käufer – die Frankfurter Swift Conjoy – zahlte erst gar nicht den vereinbarten Kaufpreis. Niemand fliegt auf den Flughafen – außer ein russischer Oligarch, dem Kosten-Nutzen-Analyse nicht unfremd ist?

Gibt es eine Alternative?

Sollte das Bundeswirtschaftsministerium bei Prüfung nach Außenwirtschaftsverordnung den Deal nicht genehmigen, hat der Hahn-Insolvenzverwalter offensichtlich einen zweiten Kaufvertrag in petto. Das ist bei solchen Geschäften nicht unüblich: Wenn der Deal mit Bieter A platzt, hat man zwar einen weniger hohen Kaufpreis, aber schon einen Vertrag mit Bieter B sicher. Hierbei käme eine Tochterfirma des Mainzer Immobilienentwicklers „WR Holding“ zum Zuge. Sie baut Wohnungen und Geschäftsräume. Zu den bekanntesten Projekten zählt die Entwicklung des „Rhein-Selz-Parks“, eine ehemaligen US-Kaserne. Das Geld sei bereits überwiesen, gibt WR Holding an, und Erfahrung im Umgang mit einem Konversionsprojekt gäbe es also.

Bereitmachen zur Landung?

Doch weiterhin bleibt Unsicherheit für die Menschen, die am und mit dem Flughafen Frankfurt-Hahn ihren Lebensunterhalt bestreiten. „Was wir brauchen seit geraumer Zeit ist eine gewisse Art von Sicherheit. Wenn es die gibt, dann kommen Investitionen und Arbeitsplätze“, sagt Hotelier Michael Willwerth. Er ist einer der machtlosen Passagiere auf Chaos-Flug Frankfurt-Hahn, die sich allesamt fragen müssen: Bereitmachen zur Landung im Hafen eines sicheren Käufers oder Durchstarten in die nächste Warteschleife.

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Letzte Aktualisierung: 28.3.2024

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