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Letzte Aktualisierung: 18.4.2024

• Schweiz: Kampf um den Rechtsstaat

Sendedatum: 28.02.2016 • Format, Länge: Rep 4.15 • Sender: ARD

Wegen Sekundenschlaf einen Blechschaden fabriziert und neun Jahre später fällt auf, dass ebenjener Unfallverursacher von damals den Nebenjob des Kindes bei der Kindergeldstelle vergessen hat? Dann heißt es raus aus der Wahlheimat Schweiz! Zumindest wenn die „Durchsetzungsinitiative“ heute von der Mehrheit der Schweizer befürwortet wird. Und Umfragen zufolge sieht es danach aus, dass in Zukunft Ausländer auch nach Bagatellen des Landes verwiesen werden. Selbst wenn sie ihre Familie dafür zurücklassen müssen oder in zweiter Generation in der Schweiz leben. Laut Initiativtext dürfen sie die Ausweisung auch nicht mehr vor Gericht anfechten. Dass die Initiative die europäischen Menschenrechtskonvention oder die Gewaltenteilung aushebelt: für die Befürworter kein Problem.

Zwei Ausländerinnen: kampfbereit, das Menschenrecht zu verteidigen. Ihre Waffen: Kochtopf. Spaghetti. Und Humor. Ein politisches Fotoshooting.

ATMO "Super, und jetzt fall' mal in meine Richtung."

Der Hintergrund: Mit Schafen wirbt die Schweizerische Volkspartei für die Ausschaffung von kriminellen Ausländern. Ob Mord oder Haschischbesitz: Beides könnte zur Ausweisung führen. Ein Unsinn für die Filmproduzentin und die Architektin. Mit Unsinn kontern sie im Internet: Die Schweizer wären doch nur neidisch auf die Kochkünste der Ausländer. Oder ihr Talent im Fußball spielen. Was lustig daher kommt, ist den Machern ernst.

O-TON Katherine Perticari, in der Schweiz lebende Italienerin: "Weil die Initiative einfach gegen menschliche Rechte ist, extrem diskriminierend. Es grenzt fast an Faschismus."

O-TON Bettina Freyland, in der Schweiz lebende Deutsche: "Zum Beispiel mir passiert ein Fehler beim Ausfüllen eines Antrags fürs Kindergeld. Das ist ein Straftatbestand dafür, ausgewiesen zu werden."

Das alles stammt von der Schweizerischen Volkspartei. Sie steht für Heimat, Tradition und Eigenständigkeit. Der Milliardär Christoph Blocher machte aus der Bauernpartei die nach Parlamentssitzen stärkste Partei der Schweiz. Sein Mittel der Wahl: in mehrerlei Hinsicht einfache Parolen. Er ist der Schafmacher. Schon vor zehn Jahren stößt das weiße Schaf ein schwarzes von der Schweizerfahne – gegen Zuwanderung oder gegen Masseneinwanderung. Später dann durchbohren Minarette die Schweiz. Und immer wieder gibt es Computerspiele: Muezzine mundtot machen. Oder die Schweiz schützen durch schwarze-Schafe-stoppen. Die aktuelle Kampagne thematisiert Vergewaltigungen durch Ausländer.

Bis zuletzt werben SVP-Mitglieder für ihre Initiative. Die Umfragen sehen sie mal in der Mehrheit, mal würden der SVP entscheidende Stimmen fehlen.

O-TON Samuel Balsiger, SVP-Gemeinderat: „Grundsätzlich sind wir eigentlich sehr zufrieden. Man merkt, dass die Lüt großes Interesse hänt, dass endlich mal Sicherheit geschaffen wird in der Schwyz.“

Gut ein Viertel aller Menschen (24,4% Quelle: Bundesamt für Statistik, Schweiz BfS), die in der Schweiz wohnen, sind Ausländer, wären von der Gesetzesänderung betroffen. Auch solche, die hier geboren sind. Im Jahr kämen (Quelle: Bundesamt für Justiz BJ) 10.000 Ausländer mit dem Gesetz so in Konflikt, dass sie die Schweiz verlassen, auch ihre Partner und Kinder zurücklassen müssten und ohne dass ein Richter die Verhältnismäßigkeit prüfen kann. Damit wäre die Rechtstaatlichkeit, letztendlich die europäische Menschrechtskonvention ausgehebelt, urteilen Juristen.

O-TON Prof. Alberto Achermann, Migrationsrechtler Uni Bern: „Damit wären wir dann an sich mit Weißrussland zusammen das einzige Land in Europa, das nicht mehr an die europäische Menschenrechtskonvention gebunden wäre.“

Das gehe zu weit, denken viele Schweizer und kämpfen erstmals quer durch die Gesellschaft gegen die SVP-Ausländerpolitik. Flavia Kleiner führt eine Gruppe an. An die Schweizer Wertetradition will sie ihre Landsleute erinnern - mit althergebracht anmutenden Plakaten genauso wie in den Sozialen Netzwerken. Darüber ereilen sie immer wieder Hilferufe verunsicherter Ausländer.

O-TON Flavia Kleiner, NGO-Gegenoffensive: „Dass diese Leute immer wieder auf mich zukommen und sagen, das ist ein Affront, das ist ein Schlag ins Gesicht. Ich bin hier rechtschaffen, ich zahle Beiträge in die Sozialversicherung, ich bin wie Du, und jetzt kommt jemand und sagt, ich bin nicht wie Du und ich hätte kein Recht auf gleiche Behandlung vor dem Richter. Das finde ich einfach so eine Ungerechtigkeit. Das finde ich so was von daneben.“

So was von daneben finden das auch Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften, Medien. Die Neue Zürcher Zeitung titelte: Diese Politiker würden ausgeschafft. Viele Vergehen wie zu unrecht bezogene Invalidenrente oder fahrlässige Tötung durch einen Verkehrsunfall aus Unachtsamkeit - begangen auch von SVP-Politikern.

Bettina Freyland und Katherine Perticari überlegen, ihre Wahlheimat Schweiz zu verlassen, sollte die Durchsetzungsinitiative heute befürwortet werden. Im Juni stimmen die Schweizer übrigens über die Änderung des Asylgesetzes ab. Dann werden die schwarzen „Schäfli“ vermutlich wieder springen.



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